Durch Negativschlagzeilen erntet der Pferdesport in der Vergangenheit viel Kritik, auch seitens einer nichtreitenden Öffentlichkeit. Was die Gesellschaft vom Reitsport hält, ist eigentlich nicht mal verwerflich, denkt man an die Zwischenfälle bei Olympia und fragwürdige Trainingsmethoden die veröffentlicht wurden. Steckt der Pferdesport in einer Krise? Wenn die Allgemeinheit solch ein kritischen Bild von unserem Sport hat, können wir dann noch weitermachen wie bisher? Worüber müssen wir uns Gedanken machen, wenn wir den Pferdesport oder ganz allgemein das Reiten auch in Zukunft ausüben möchten?
Bei der Infoveranstaltung zum Thema Social License to Operate (SLO) mit Prof. Dr. med. Vet. Michael Weishaupt am vergangenen Mittwoch drehte sich alles um genau diese Fragen. Initiiert wurde der Abend von der Islandpferde-Vereinigung Schweiz, Barla Isenbügel und Guðbjörn H. Jónsson begleiteten das Onlineseminar und knapp 200 Personen hörten den Vortrag vom Leiter der Sportmedizin am Tierspital Zürich und diskutierten Fragen am Ende der Veranstaltung. Prof. Dr. med. Vet. Michael Weishaupt ist international gefragter Experte in Sachen Horse Welfare und erklärte gleich zu Beginn den Stellenwert des Themas in unserer heutigen Zeit. Die SLO betrifft alle diejenigen, die Pferde besitzen, halten und nutzen – in diesem Sinne sind sehr viele Menschen betroffen. Dabei können einige mit diesem Ausdruck erstmal nichts anfangen.
Der Begriff "Social License to Operate" beschreibt die öffentliche (gesellschaftliche) Akzeptanz (Lizenz) einer Industrie ihre Tätigkeit ausüben zu dürfen (zu betreiben). In der Pferdewelt steht hierbei die Gesundheit und der Schutz der Pferde im Vordergrund. Akzeptable Praktiken von gestern werden von der heutigen Gesellschaft hinterfragt und es gibt Traditionen, die gebrochen werden müssen, weil sie nicht mehr aktuell sind oder nicht mehr erklärt werden können. Um die SLO nicht zu verlieren, muss die Pferdebranche das Vertrauen der Öffentlichkeit (zurück)gewinnen, indem sie den Anforderungen, das Wohlergehen der Pferde zu schützen, wirklich gerecht wird.
Wie kann das umgesetzt werden? Weishaupt erläutert einen ganzen Katalog an verschiedenen Maßnahmen. Da wäre zuerst die Ethik bzw. ethische Aspekte aller Praktiken zu hinterfragen. Außerdem ist der Tierschutz zu priorisieren. Alle bestehenden Bedenken hinsichtlich körperlichen, mentalen und sozialen Wohlergehens sind ernst zu nehmen, gute Beispiele von Tierschutz sollten gefördert und die Sicherheit der Pferde (z.B. der Ausrüstung und Bodenbeschaffenheit) verbessert werden. Zusätzlich müssen Kompetenzen geschaffen werden. Alle Beteiligten der Pferdebranche sollten ausreichend Kenntnisse und praktische Fähigkeiten besitzen und „wissen, wie man es besser macht!“. Für einen guten Umgang mit den Medien gilt es stets Transparenz zu bewahren, Gutes zu tun und darüber zu sprechen, damit positives Verhalten sichtbar wird. Zuletzt müssen wir proaktiv handeln und alle Beteiligten der Pferdebranche, einschließlich der Öffentlichkeit, miteinbeziehen. Die Forschung vorantreiben und Reformen unterstützen, anstatt den Kopf in den Sand zu stecken.
Am Ende war klar, die aktuelle Krise könnte auch eine Chance sein: Solange wir wissbegierig und selbstkritisch bleiben, „Bescheid wissen, wie wir es besser machen“, die Leidenschaft und den Respekt für das Pferd pflegen und diese mit der Öffentlichkeit teilen, haben wir die Möglichkeit die doch eher kritischen Bilder der Öffentlichkeit zu wandeln. Dann könnten wir unseren wundervollen Sport zeigen, welcher weit über Sport hinaus geht. Wir könnten in die Öffentlichkeit tragen, dass dies eine Beziehung zwischen Mensch und Tier ist, die einen beflügelt.
Jetzt sind wir also gefragt. Wir als IPZV Bundesverband aber auch jede/r Einzelne selbst. Proaktiv handeln bedeutet ausbilden, anpacken, aufklären, austauschen und „Pro Pferd“ agieren. Lasst es uns gemeinsam anpacken!