Meiner Meinung nach müsste es eigentlich schwierig sein, zu entscheiden, welches Pferd denn nun das absolute Lieblingspferd an dem jeweiligen Hof ist. Schließlich hat jedes Pferd irgendetwas Besonderes. Ist einzigartig. Ob es nun eine außergewöhnliche Farbe, einfach ein klitzekleines Merkmal, welches dann nur die allerwenigsten besonders aufmerksamen Personen kennen, oder ein ganz ausgeprägter Charakter ist. Trotzdem wusste ich schon sehr früh – wie das glaube ich fast jeder tut – dass mein Lieblingspferd eine bestimmte Stute zu sein scheint. Eigentlich war es ein Zufall, wenn ich so darüber nachdenke. Klar, ihre schöne Scheckung fiel mir direkt auf. Schon das erste Mal, als ich auf dem Hof war. Irgendwie sind gerade Schecken etwas Besonderes, finde ich. Die Muster sind allesamt wunderschön und es gibt keine Gleichen auf dieser Welt.
In den ersten Reitstunden habe ich erst einen braunen Wallach
geritten und wenn ich mal ehrlich bin, kam ich mit ihm überhaupt nicht klar.
Das hab ich bedeutend schnell bemerkt. Irgendwie hat nichts so wirklich
geklappt, wie es eigentlich klappen sollte und teilweise war es schon
frustrierend. An diesem einen Tag aber musste ich die Stunde verschieben und da
das andere Pferd, sofern ich auf ihm reiten würde, an dem Tag zu oft laufen
würde, bekam ich ein anderes. Die gescheckte Stute. Ich war wie ausgewechselt
auf diesem Pferd. Ganz plötzlich klappte alles wie am Schnürchen. Ich war
direkt glücklich mit „Svala“. Sie lief total toll und bemerkenswert schneller!
Das sorgte auch dafür, dass ich erstmal im Sand gelandet bin und so komisch das
klingt, das war der Moment, an dem ich wusste, dass diese Stute wie für mich
gemacht ist. Als dann meine Reitlehrerin sagte, dass das nur eine Ausnahme ist
und Svala eigentlich gar nicht für den Reitunterricht genutzt wird, brach für
mich erstmal eine halbe Welt zusammen. Ich wusste allerdings trotzdem, dass ich
nichts an der Sache ändern könnte, also nahm ich es erstmal hin.
Eine Woche verging, bis ich wieder Reitunterricht hatte und wie es aussah, ist
es meiner Reitlehrerin auch nicht entgangen, wie gut ich mit Svala klarkam.
Denn als ich kam, sagte sie direkt, ich solle doch bitte schon mal Svala holen
gehen. Ich war so unglaublich glücklich, als ich verstand, dass sie mein
Reitpferd bleiben würde. Motiviert bin ich also zum Paddock gegangen, um sie zu
holen und allen Ernstes wusste ich erst gar nicht genau, ob sie denn nun die Richtige
ist. Dazu muss man wissen, dass auf der Wiese zwei schwarz-weiße Schecken
stehen, die auf den ersten Blick für mich irgendwie ziemlich ähnlich aussahen.
Ehrlich gesagt kann ich heute gar nicht verstehen warum. Das Pferd, mit dem ich
Svala fast verwechselt hatte, ist viel schwärzer, als dass es weiß ist und hat
– eigentlich müsste man das sofort erkannt haben – keine noch so kleine
Ähnlichkeit mit Svala. Sie ist viel weißer als schwarz. Verwirrt schaute ich
vom einen Pferd zum anderen – aber es wollte sich mir einfach nicht
erschließen! Irgendwann hörte ich aus einer mir in dem Moment unbekannten
Richtung jemanden rufen, dass doch das Pferd, welches am Futtertrog steht,
Svala sei. Ich war ihr unendlich dankbar. Sonst hätte ich es vielleicht gar nicht
mehr rausbekommen. Über den Paddockboden ging ich zu Svala und sofort als ich
ihr das beige Halfter aufziehen wollte, fiel mir etwas auf, was sie für mich
auf einen Schlag noch besonderer machte. Ihr eigentlich komplett schwarzer Kopf
auf der rechten Seite, war gar nicht komplett schwarz, wie ich zuerst gedacht
hatte. Er hatte weit rechts an der Stirn einen kleinen weißen, wenig
auffallenden Fleck. Ich wusste direkt, woran ich sie jetzt erkennen könnte,
wenn das andere Pferd für mich nochmal einfach komplett gleich aussehen würde,
wie an diesem Tag. Das passierte allerdings nie wieder seitdem. Es hätte aber
auch sicher komisch ausgesehen, wenn ich zu beiden Pferden gegangen wäre, ihnen
auf die Stirn geschaut hätte, nur um dann wieder zu gehen, sollte es nicht das
Richtige sein.
Von da an ritt ich sie fast jede Stunde und jedes Mal wurde es besser. „Es“ ist sehr allgemein gefasst. Es wurde so viel von Stunde zu Stunde besser, dass ich es hier gar nicht alles mit einem Mal aufzählen kann und ich hatte wirklich das Gefühl, dass es weniger an mir, als an Svala lag. Das klingt jetzt sehr aus der Luft gegriffen, doch es ist tatsächlich so. Mit keinem anderen Pferd kam ich so gut klar, wie mit ihr und das ist immer noch so. Meinem Gefühl nach reite ich auf anderen Pferden des Hofes nicht halb so gut, wie mit ihr. Doch nicht nur das wurde immer besser. Auch das Vertrauen wurde und wird immer besser. Ich finde, es ist unglaublich toll zu sehen, wie sie sich jedes Mal freudiger, als beim letzten Mal vom Paddock führen lässt und einen immer mehr „wahrnimmt“. Es sind kleine Zeichen, die man wirklich nur bemerkt, wann man aufpasst, aber sie sind sichtlich da und das ist etwas, was mich immer wieder aufs Neue an diesem Pferd einfach nur begeistert.
Was man hier auf gar keinen Fall vergessen darf, ist, dass ich auf
ihr das erste Mal galoppierte. Das war ein unvergesslicher Moment für mich,
auch wenn es nur eine Gangart des Pferdes ist, der Galopp ist aus meiner Sicht
etwas Besonderes. Er ist schnell, aber trotzdem taktvoll und wunderschön
anzusehen. Auch wenn der Trab so gesehen die langsamere Gangart ist, ist er
doch nicht so angenehm wie der Galopp.
Als kleines Kind fand ich die Vorstellung unglaublich toll, mit einem Pferd,
welches nur einen Halsring trägt, über eine endlos lange grüne Wiese zu
galoppieren und alles um einen herum zu vergessen. Mit diesem Traum kann doch
der erste Galopp nur ein Moment werden, den man sein Lebtag nicht vergisst.
Das waren alles ausschlaggebende Momente, aber trotzdem darf man
die kleinen Dinge nicht vergessen, die dann doch alltäglich passieren und das
Pferd erst zu dem machen, was es ist.
Wenn ich sie putze und das weiße Fell noch schmutziger denn je – das schwarze
allerdings schon sauber ist, zaubert es mir doch immer wieder ein Grinsen ins
Gesicht, sobald ich sie nur vom Paddock hole und sie brav hinter mir her
trottet, oder sei es nur, wie sie auf die gewöhnlichsten Dinge reagiert. Es
wäre mir ohne Probleme möglich, von diesen unscheinbaren Dingen viel mehr zu schreiben,
denn alle die sind es, die das Pferd vollständig einzigartig machen und dafür
sorgen, dass es genau dieses, mit all seinen Macken, Fehlern und liebenswerten
Charaktereigenschaften nicht nochmal auf der Welt gibt.
Lena Grosshardt (12 Jahre)
14.05.2017